Adornos Diktum, dass nach Auschwitz noch Gedichte zu schreiben barbarisch sei,
wiederholt sich: Nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York
am 11. September 2001 müsse, so heisst es, eine neue Form jenseits der bisherigen
Mittel der Repräsentation, d. h. jenseits der Schriftlichkeit selbst erst noch gefunden
werden.
Die Literatur jedoch, die in Reaktion auf die Terroranschläge entstanden ist, beweist
das Gegenteil. Weder das Schreiben über Terror noch die Möglichkeit, mit Terror
reflexiv umzugehen, sind passé. Vielmehr zeigt die Literatur, dass das fiktionale
wie das reale Subjekt nach wie vor über Handlungskompetenzen verfügt und dass
diese Handlungskompetenzen immer noch erzählbar sind. Die Literatur weckt
zudem Hoffnung auf seelische Heilung in Zeiten des Terrors. Ja, mehr noch: Gerade
jetzt, nach 9/11, ist die Zeit der Literatur gekommen. Je grausamer der Terror, desto
mehr fordert er dazu heraus, gegen das Nichts anzuschreiben und auf diese Weise
Adorno ein zweites Mal zu widerlegen.
An den beiden Abenden wird sich die Referentin u. a. auf folgende Literatur beziehen:
Gila Lustiger: Erschütterung. Über den Terror (2016); Antoine Leiris: Meinen Hass
bekommt ihr nicht (2016); Jonathan Safran Foer: Extrem laut und unglaublich nah
(2005); Ferdinand von Schirach: Terror (2015).
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